ENDE des SPARSCHWEINS - 100 Jahre Weltspartag 1925-2025
von Mag. Sabine Hütter, 31. Oktober 2025
Kinderheitserinnerung und ‘Sparefroh’ – Manche Dinge ändern sich nie, andere unterliegen einem rasanten Wandel, aber manchmal geschieht eine Entwicklung so langsam, dass man erst gar nicht begreift, dass sich die Dinge verschieben. Als Fotografin erlebe ich diese Entwicklung in den rasanten technischen Innovationen, während die Regeln der Ästhetik und der Gestaltung bereits seit der Renaissance Bestand haben. Während uns also Leonardo da Vinci weiterhin begleiten wird, verabschieden wir uns immer mehr von ‘Sparefroh’, dem Maskottchen des Weltspartags. Ein paar Gedanken zum physischen Sparen.
WELTSPARTAG in Österreich: Seit genau 100 Jahren haben Kinder sich auf diesen einen Tag gefreut, weil dann das Sparschwein geschlachtet wurde. Illustration: Mag. Sabine Hütter, society-photography.at
Das goldene Zeitalter des Sparens
Am 31. Oktober 1925 riefen die europäischen Sparkassen den ersten Weltspartag ins Leben. Ziel war es, nach den Wirren des Ersten Weltkriegs das Vertrauen in Geld und Vorsorge wiederherzustellen.
Über Generationen hinweg wurde daraus ein Festtag: Kinder polierten ihre Sparschweine, trugen sie mit Stolz zur Bank, und das feierliche Öffnen des kleinen Gummistopfens war fast schon ein Initiationsritus.
Sparen war sinnlich.
Man hörte das Klirren der Münzen, sah den Fortschritt wachsen, fühlte das eigene Geld – es war greifbar, real, persönlich.
Das Ritual des Sparschweins
Für viele war das Sparschwein mehr als nur eine Spardose. Es war ein kleiner, rosafarbener Verbündeter.
Kinder fütterten es mit Taschengeld, Eltern erklärten den Wert der Geduld, und die Filiale wurde zur kleinen Bühne der Belohnung: Bonbons, Ballons und manchmal sogar ein neues Schwein.
Dieses Ritual schuf Vertrauen.
Es verband Kinder mit dem Gedanken, dass Sparen etwas Gutes ist, dass Vermögen entstehen kann, wenn man Verantwortung übernimmt.
Heute dagegen flimmert der Kontostand als Zahl am Display. Kein Gewicht, kein Klang, keine Haptik. Nur noch ein abstrakter Wert auf einem Bildschirm – jederzeit änderbar, von außen steuerbar, niemals wirklich „im Besitz“.
Omas Sparstrumpf – die Schule der Substanz
In fast jeder Familie gab es sie: die Oma mit dem Sparstrumpf.
Sie hatte kein Vertrauen in Banken, dafür aber in sich selbst. Jeder Schilling war real, spürbar, verfügbar.
Sie wusste: „Was man hat, das hat man.“
Ihre Generation kannte Inflation, Krieg, Währungsreform – sie wusste, dass Geld nur dann Sicherheit gibt, wenn es in der eigenen Hand bleibt.
Der Sparstrumpf war kein Anachronismus, sondern Ausdruck von Autonomie.
Ein stilles Manifest gegen Kontrollverlust.
Heute würde man es „Offline-Vermögen“ nennen – damals nannte man es schlicht Vorsicht und Klugheit.
Der digitale Euro – Lizenz statt Eigentum
Die Europäische Zentralbank plant den digitalen Euro – offiziell als moderne Ergänzung zum Bargeld, in Wahrheit aber als System digitaler Kontrolle.
Während Bargeld dem Bürger volle Verfügung erlaubt, gewährt der digitale Euro nur noch eine Lizenz zur Nutzung – ein digitales Zahlungsversprechen, kein physisches Eigentum mehr.
Die Verwaltung läuft über zentrale Server, über Dritte – und damit überwachbar, limitierbar und im Zweifel auch sperrbar.
Was früher in Omas Strumpf oder im Kinderzimmer lag, liegt künftig auf einem EU-Server, der definieren kann, wie viel du besitzt, wofür du es ausgeben darfst – und wann der Zugriff endet.
Ein Guthaben, das nur in einer digitalen Sphäre existiert, ist kein Besitz, sondern Abhängigkeit.
100 Jahre später – vom Vertrauen zum System
Der Weltspartag war einmal ein Feiertag der Eigenverantwortung.
Heute wirkt er wie ein nostalgischer Rest aus einer Zeit, in der Menschen noch an Zinsen, Verlässlichkeit und Freiheit glaubten.
Das klassische Sparen – in Münzen, Scheinen, Strümpfen oder Schweinen – war mehr als eine ökonomische Geste. Es war ein kulturelles Fundament.
Es lehrte Generationen, dass Wohlstand entsteht, wenn man bewusst handelt – nicht, wenn man auf Algorithmen, Banken oder politische Versprechen vertraut.
Wenn Sparen zur digitalen Lizenz wird, verliert es seine Seele.
Was bleibt, ist ein leeres Ritual – und die Erinnerung an eine Zeit, in der Geld noch greifbar, ehrlich und unser eigenes war.