Der Tod von Sankt Martin - Auferstehung als buntes Laternenfest
von Sabine Hütter, November 2025
Können Legenden sterben?
Am 11. November leuchten in vielen Städten und Gemeinden bunte Laternen. Kinder ziehen singend durch die Straßen – aber kaum jemand weiß noch, warum. Der Gedenktag des Heiligen Martin von Tours (316 bis 397 n. Chr.) ist vielerorts zum neutralen „Laternenfest“ geworden. Die religiöse und moralische Botschaft – Mitgefühl, Nächstenliebe und das Teilen – ist weitgehend aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden.
Laternenfest ist ein Fixpunkt im Erlebnisplan von Kitas und Kindergärten. Oft kommt aber mittlerweile der Ursprung des feierlichen Ereignisses zu kurz oder St. Martin wird mittlerweile ganz weggelassen. | Foto: Sabine Hütter, society-photography.at
Die Geschichte hinter den gebastelten Laternen
Martin von Tours war Soldat, später Bischof. Berühmt wurde er durch eine einfache, aber kraftvolle Geste: Er teilte seinen Mantel mit einem frierenden Bettler. Diese Szene stand über Jahrhunderte für Mitmenschlichkeit. Das Licht der Laternen symbolisierte einst, dass ein Funken Wärme und Güte in die Dunkelheit getragen wird.
Heute bleibt davon meist nur der äußere Rahmen: Bastelaktionen, Laternenumzüge, Musik. Die Geschichte dahinter – der Grund, warum die Kinder überhaupt Laternen tragen – wird kaum noch erzählt.
Sankt Martin und die Laternen: Das Licht der Laternen symbolisierte einst, dass ein Funken Wärme und Güte in die Dunkelheit getragen wird. | Foto: Fotojournalistin Sabine Hütter ©by Society-Photography.at
Verlust des Sinns
In vielen Gemeinden ist aus dem „Sankt-Martins-Umzug“ ein „Lichter- oder Laternenfest“ geworden. Religiöse Bezüge gelten als unzeitgemäß oder „nicht inklusiv“. Der ursprünglich christliche Gedanke des Teilens wird durch ein allgemeines „Wir-Gefühl“ ersetzt – harmlos, aber deutlich inhaltsärmer.
Was früher Ausdruck gelebter traditioneller Werte war, ist heute ein dekoratives Ritual. Das Licht strahlt, aber es wärmt nicht mehr so richtig.
Starke Bilder, aber verblassende Botschaft
Feste wie Sankt Martin sind mehr als Kindheitserinnerungen. Sie vermitteln Werte, gelebte Geschichte. Wenn wir den Sinn entkernen, verlieren wir auch ein Stück kulturelle Identität. Kinder lernen nicht mehr, warum Teilen wichtig ist, sondern nur noch, wie man eine bunt leuchtende Laterne baut.
Zentrales Element der alljährlichen Lichterfeste sind selbstgebastelte Laternen, häufig findet die Figur des Heiligen Sankt Martin kaum noch Raum | Foto: Sabine Hütter, ©by society-photography.at
Anregung
Das Laternenfest muss nicht verschwinden. Aber es braucht seine Geschichte zurück.
Wer Kindern erklärt, warum Martin seinen Mantel teilte, der predigt nicht von einer bestimmten Religion, sondern von einer universell guten charakterlichen Eigenschaft und die sollte uns wichtig sein.
Vielleicht beginnt genau dort die Wiedergeburt des Heiligen Martin: nicht im Kirchgang, sondern in einem ehrlichen Gespräch am Straßenrand, während das Licht der Laternen durch die Nacht zieht.
Fotostrecke
St. Martin-Spiel & Laternen-Umzug 2025, Österreich | Fotografie: Sabine Hütter – Society Photography Austria