Lokal-Augenschein: Leopoldauer Alm – Wiens XXL-Kult seit 1996
von Sabine Hütter, November 2025
Wie gut kann „viel“ sein?
Wenn der Teller mehr wiegt als der Gast, ist man in der 'Leopoldauer Alm‘, in Floridsdorf, angekommen. Wer hier einkehrt, will nicht diäten, sondern erleben. Das XXL-Prinzip wird zum Statement gegen die kulinarische Askese der Zeit – gegen Bowls, Detox und Kalorienzählen. Hier wird nicht serviert – hier wird aufgefahren. Portionen, die selbst Erlebnishungrige ehrfürchtig verstummen lassen. Doch wie gut kann „Viel“ wirklich sein? Zwischen saftigen Schweinshaxen, Grillplatten und goldbraunen Mega-Schnitzeln liegt die feine Grenze zwischen Genuss und Völlerei – einer jener Todsünden, die der Wiener mit einem Augenzwinkern begeht.
XXL-CORDON BLEU á la Leopoldauer Alm in Wien | Foto: Sabine Hütter, society-photography.at
Mediales Gesamtkunstwerk
Die Leopoldauer Alm ist längst mehr als ein Restaurant – sie ist ein Social-Media-Phänomen. Kamerafrau und Kellnerin „Kathieeee“ und Alm-Chef Christian Pircher inszenieren das Haus wie ein Reality-Format mit Alpencharme. Auf Youtube, Instagram und TikTok wird jede Riesenportion zur Performance, jeder Gast zum Zeitzeugen eines Dauer-Events zwischen Lederhosen, Lichterketten und Lachsalven. Die beiden virtuellen Gastgeber bewegen sich dabei auf den Spuren des unsterblichen Richard „Mörtel“ Lugner – zwischen Wirtshausvolksnähe und Wiener Society-Selbstironie. Das Ergebnis: ein perfekt choreographiertes Spektakel aus Essen, Emotion und Entertainment.
Die KULT-Gastronomie gibt es in Wien bereits seit 1996: Leopoldauer Alm, in Floridsdorf - Foto: Sabine Hütter, ©by society-photography.at
Alm in Wien – kulturelle Aneignung oder urbane Folklore?
Eine „Alm“ mitten in Floridsdorf – darf das überhaupt sein? Zwischen U1-Endstation und Schrebergärten ragt ein Stück Tirol aus Beton und Holz. Dirndl, Hirsche, Kuhglocken – und doch kein Skandal. Was andernorts als kulturelle Aneignung gedeutet würde, ist in Wien schlicht: Lebensfreude mit Alpen-Schmäh. Die Leopoldauer Alm ist kein Plagiat, sondern Parodie – ein ironisches Spiel mit Heimatgefühlen, das sich selbst nicht zu ernst nimmt. Hier wird der Almkult zum urbanen Gesamtkunstwerk, bei dem der Wiener Essen und Erleben verknüpft, als wäre er kurz mal am Berg – bevor er wieder in die Stadt zurückkehrt.
Authentisches Erlebnis mit gutem Essen und Unterhaltungswert
Trotz aller Show und Social-Media-Präsenz bleibt die Küche der eigentliche Star. Saftige Stelzen, butterzarte Ripperl, bodenständige Suppen – die Leopoldauer Alm lebt von Handwerk und Herzblut. Das Personal ist aufmerksam, flink und herrlich weit entfernt von sprichwörtlichen Wiener Granteln. Wer hier einkehrt, erlebt keine gehobene Gastronomie, sondern ehrliche Wirtshauskultur mit Unterhaltungswert. Hier entsteht ein Gefühl, das in Wien selten geworden ist: unkomplizierte Geselligkeit.
Kult seit 1996
Seit fast drei Jahrzehnten ist die Leopoldauer Alm ein Fixstern der Wiener Wirtshausszene – ein Stück Lokalgeschichte, das sich selbst immer neu erfindet. Sie ist Treffpunkt für Familien, Influencer, Bauarbeiter, Pensionisten und Poltergruppen. Ein Mikrokosmos Wiener Gesellschaft, gespeist aus Schweinsbraten und Social Media. Der Erfolg ist kein Zufall: Es ist die Mischung aus Maßlosigkeit und Menschenfreundlichkeit, die diesen Ort zu einer Marke macht.
Fazit
Die Leopoldauer Alm ist keine Alm und will auch keine sein – sie ist ein Wiener Gesamtkunstwerk zwischen Überfluss und Unterhaltung, Heimatgefühl und Selbstironie. Ein Ort, der beweist, dass Völlerei in Maßen durchaus glücklich und satt machen kann – wenn sie mit Charme serviert wird.
Fotostrecke
LOKAL-AUGENSCHEIN: ‘Leopoldauer Alm’, Wien-Floridsdorf
Fotografie: Sabine Hütter – Society Photography Austria