CAFÉ ZARTL - Eine Liebesbeziehung auf wienerisch
von Mag. Sabine Hütter
Wiens stille Seele zwischen Patina und Poesie
In Wien bilden das Hawelka und das Sperl die schillernde Frontlinie der Kaffeehauskultur – die großen Namen, die in jedem Reiseführer stehen und die mit Touristen gefüllt sind, die auf der Suche nach dem „echten Wien“ sind oder dem, was man ihnen dafür verkauft.
Doch das, was ich an Wien wirklich liebe, liegt nicht im Rampenlicht, sondern eine Spur dahinter – in der Rasumofskygasse, Ecke Marxergasse, im Dritten. Dort steht das Café Zartl.
CAFÉ ZARTL, im dritten Wiener Gemeindebezirk, eine Institution | Foto: Sabine Hütter Society-photography.at
Ich liebe es, hier eine Auszeit zwischen zwei Terminen zu nehmen. Kaum ein Ort in Wien entschleunigt so konsequent, so selbstverständlich, so unaufgeregt wie dieses Kaffeehaus. Es ist Wien, wie ich es liebe: ungeschönt, authentisch, leicht widerspenstig – und gerade deshalb so berührend echt.
Die schweren Vorhänge, die gedämpften Lampenschirme, die abgegriffenen Tischkanten – sie erzählen Geschichten von Jahrzehnten. Man spürt sie, diese Patina der Tradition, die hier nicht inszeniert, sondern gelebt ist. Es ist ein Kaffeehaus, das nicht gefallen will. Es ist so, wie es ist. Und das genügt.
CAFÉ ZARTL - Von außen nicht einladend, aber wer es kennt, der kommt ohnehin wieder - Foto: Sabine Hütter www.society-photography.at
Ich liebe den spröden Charme der Bedienung, dieses unverwechselbare Wiener Gleichgewicht zwischen Distanz und Zuneigung. Kein übertriebener Service, kein falsches Lächeln. Nur ein diskretes Nicken, ein „Kommt gleich“, und kurz darauf eine Melange, deren Duft jede Uhr anhält.
Während ich da sitze, den Löffel in der Tasse kreisen lasse, glaube ich fast, dass der Geist von Hundertwasser hier noch immer umgeht – irgendwo zwischen der englischen Leinentapete und den goldgerahmten Spiegeln. Vielleicht sitzt er am Nebentisch, zeichnet Linien, die sich weigern, gerade zu sein.
CAFÉ ZARTL - eine Legende in Wien | Foto: Sabine Hütter www.society-photography.at
Ich sehe Männer, die noch Zeitung lesen und die älteren Damen, die Canasta spielen. Und ich denke mir:
“Das hier ist kein Ort, der von der Zeit vergessen wurde. Es ist ein Ort, der sich entschieden hat, sie zu überdauern.”
Sabine Hütter liebt ihr Wien. Sie liebt diese Taktung. Sie liebt die stillen Räume, in denen nichts lauter ist als das Umrühren des Kaffees. Und sie liebt dieses Gefühl der Zeitlosigkeit, das einem hier mit jeder Melange serviert wird – ein zarter Schluck Ewigkeit, mitten im dritten Bezirk.